Mein Tier verliert ständig Haare, kann man dagegen etwas tun?

Dies ist eine häufige Frage von Hunde- und Katzenbesitzern, die davon genervt sind, immer wieder die Haare ihres Haustieres von ihrer Kleidung und aus ihrer Wohnung beseitigen zu müssen. Die kürzeste Antwort lautet: Möglicherweise ist nur häufiges Bürsten die einzige Abhilfe, aber wir sollten uns das genauer ansehen.

Ablauf des Haarwachstums

Zum Verständnis des Problems muss man betrachten, wie die Haare bei Hunden und Katzen in normaler Weise wachsen und ausfallen. Das geschieht in Haarfollikeln (auch Haarbälge genannt), das sind lange, dünne „Röhren“, die tief in der Haut mit der sogenannten Wurzel beginnen (s. Abb. 1). Hier liegt eine Wachstumszone, in der das neue Haar herstellt wird. Dieses wächst immer weiter hinaus um über der Hautoberfläche das Fell zu bilden. Das ausgewachsene Haar kann viele Monate fest im Follikel sitzenbleiben (Ruhephase), dann wird es locker und fällt aus. Es entsteht eine neue Wachstumszone am Grund des Haarfollikels und der Ablauf beginnt von vorn. Diesen Prozess nennt man Haarzyklus.

Die vielen, dicht nebeneinander liegenden Haarbälge bei Hunden und Katzen befinden sich meistens in verschiedenen Phasen des Haarzyklus, dadurch behält das Fell zu jeder Zeit eine gewisse Gleichmäßigkeit der Dichte.

Abbildung 1 - Aufbau des Haarfollikels

Abbildung 2 - Anordnung der Haarfollikel

E = Epidermis (Oberhaut) 
H = Haar
M = Haarbalgmuskel
P = Papille – Beginn der Wachstumszone in der Wurzel des Haarbalges
S = Schweißdrüse
T = Talgdrüse
1 = Haaroberhäutchen
2 = Haarrinde
3 = Haarmark
4 = unreifes, wachsendes Haar
5 = äußere Oberflächenschicht des Haarfollikels
6 = innere Oberflächenschicht des Haarfollikels 

1 = Deckhaar
2 = Wollhaar
3 = Epidermis (Oberhaut)
4 = Haarbalgmuskel
5 = Talgdrüse
6 = Wurzeln der Wollhaare
7 = Wurzeln des Deckhaares
8 = Schweißdrüse

mit freundlicher Genehmigung aus: Noli, Scarampella, Toma: Praktische Dermatologie bei Hund und Katze, Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover, 2014

Struktur des Fells

Die Haarbälge sind in Bündeln angeordnet, die eine gemeinsame Öffnung an der Hautoberfläche haben (s. Abb. 2). In der Mitte des Bündels liegt ein einzelnes langes, gerades und kräftiges Haar, es wird Deckhaar oder Primärhaar genannt. Weil sie die längsten, herausragenden Haare sind, bestimmen sie das sichtbare Erscheinungsbild des Fells. Sie haben auch die Funktion, Wasser auf der Oberfläche des Fells abperlen zu lassen, damit der darunterliegende Haarbereich und die Haut trocken bleiben. Aus den kleinen, randständigen Haarbälgen wachsen die sogenannten Woll- oder Sekundärhaare, sie sind kürzer, dünner und lockenartig gewellt (siehe Abbildung 3). Sie haben vor allem die Funktion der Wärmedämmung für den Körper. Beim Winterfell von Hunden und Katzen sind alle Haare, besonders aber die Wollhaare viel länger als im Sommer, das hat einen Effekt wie ein Fleecepullover für uns Menschen.

Abbildung 3 - Haartypen bei Hunden

 

a = Deckhaar 

b = Wollhaar

c = Haar eines Pudels

Fellwechsel

Der Fellwechsel hat die Funktion, die Wärmedämmung des Körpers an veränderte Umgebungs- temperaturen anzupassen. Die Haarfollikel lassen die alten Haare ausfallen und dann die Neuen so lang und dicht wachsen, dass es dem Tier in der bevorstehenden Jahreszeit weder zu kalt noch zu warm wird. Dieser Vorgang dauert wenige Wochen. Der Fellwechsel erfolgt in unseren Breiten im Frühjahr und im Herbst, dieser Vorgang wird vom Körper durch die Wahrnehmung der Tageslichtlänge gesteuert. Auch eine deutliche Veränderung der Umgebungstemperatur löst häufig einen Fellwechsel aus. Der lästige Haarverlust ist ein selbstverständlicher Bestandteil des normalen, zweckmäßigen Fellwechsels. Hunde und Katzen helfen sich dabei mit Lecken, Kratzen, Wälzen und Reiben an Bäumen oder auf dem Boden. Die Tierhalter sollten mit Bürsten oder Kämmen Unterstützung leisten und dabei die ausfallenden Haare entfernen, bevor sie nach und nach in der Wohnung herausrieseln.

In den letzten Jahren haben wir häufig markante Wetterwechsel und Temperatursprünge erlebt. Viele Tiere waren dadurch über längere Zeiten mit Wechseln hin zu einem dünneren Fell und wieder her zu einem dichteren Fell beschäftigt – verbunden mit monatelangem Haaren. Wir Menschen haben es da einfacher, wir tauschen schnell das T-Shirt gegen Hemd und Pullover. 

In einer Studie mit Labrador Retrievern die im Haus lebten, wurde festgestellt, dass die Hunde das ganze Jahr über permanent und gleichmäßig in einem leichten Fellwechsel waren. Wenn die Tiere nur eben beim Spaziergang den natürlichen Wetter- und Tageslichtbedingungen ausgesetzt sind, hat dies offenbar einen großen Einfluss auf die Steuerung des Haarwechsels. Dies kann auch bei anderen Hunderassen vergleichbar so sein und einen ständigen Haarverlust erklären, ohne dass irgendeine krankhafte Störung die Ursache ist.

Sie haben jetzt den völlig gesunden Haarwechsel kennengelernt und die Faktoren die diesen auslösen. Schauen wir mal, ob man die Titelfrage jetzt besser beantworten kann als zu Beginn. Ständiger Haarverlust kann durch normalen Fellwechsel in Verbindung mit ungewöhnlichem oder unnatürlichem Umgebungsklima entstehen und tatsächlich kommt das häufig vor. Eigentlich gibt es keine Möglichkeit diesen Prozess zu verhindern. Eine Ausnahme wäre höchstens, seinen Hund oder seine Katze nicht mehr im Haus zu halten und Ihnen wie in früheren Zeiten einen Platz in der Scheune oder in einer Hundehütte im Garten zuzuweisen. Das hätte aber große Nachteile für das Wohlbefinden und oft auch für die Gesundheit der Tiere. Damit werden häufig Fellbürste, Staubsauger und Fusselroller für Textilien die Werkzeuge, mit dem man diesem Problem begegnen kann.

Es gibt aber auch noch andere Gründe warum Hunde und Katzen vermehrt Haare verlieren. Im folgenden Abschnitt werden noch weitere Auslösefaktoren besprochen, außerdem sind nicht selten Krankheiten die Ursache, dieser Komplex wird im letzten Abschnitt des Textes behandelt. Diesen Ursachen ist gemeinsam, dass man den Haarverlust meistens gut abstellen kann durch Maßnahmen bei Fütterung, Haltung und Umgang mit den Tieren oder durch tiermedizinische Behandlungen.

An dieser Stelle kommen wir auf die eigentliche Frage dieses Themas: Wie unterscheidet man, ob es sich um normalen Fellwechsel oder um abstellbaren Haarausfall handelt? Der wichtigste erste Schritt sind aufmerksame Beobachtungen des Tierbesitzers. Um nur ausschnitthaft ein Beispiel zu nennen: Wenn der Haarausfall über viele Wochen während einer relativ konstanten Temperaturperiode im Frühsommer verschwindet, ist das ein Hinweis, dass nur ein normaler Fellwechsel hinter dem Problem steckt. Die nächsten Schritte zur Ergründung der Situation ergeben sich im weiteren Text.

Weitere Einflüsse auf den Fellwechsel

In experimentellen Studien bei Mäusen wurde nachgewiesen, dass Stress zu vermehrtem Haarausfall führt. Das ist auch die Erfahrung in der Tierarztpraxis, wenn ein Hund beim Besuch ausgesprochen gestresst war, ist das Behandlungszimmer danach mit Haarflusen übersäht. Wenn ein Besitzer starken Haarausfall seines Tieres zuhause feststellt, sollte er sich auch fragen ob dieses öfter einen aufgeregten, unruhigen, ängstlichen oder deprimierten Eindruck macht. Falls ein Hunde- oder Katzenhalter solch ein Problem feststellt, empfehlen wir Kontakt zu einem Tierarzt aufzunehmen. In unserer Praxis geben wir Ihnen bei Bedarf auch gerne Empfehlungen von guten Hundetrainern oder –psychologen.

Tierbesitzer vermuten häufig, dass Mängel bei der Nährstoffversorgung den Haarausfall ihrer Hausgenossen verursachen. Das Haarwachstum ist tatsächlich ein intensiver Stoffwechselprozess, für den der Körper eine ganze Reihe bestimmter Nährstoffe bedarfsdeckend aufnehmen muss. In Deutschland verkauftes Hunde- und Katzenfutter enthält die für den Hautstoffwechsel wichtigen Inhaltsstoffe sehr häufig in ausreichender Menge. So ist es eher selten, dass durch eine Futterumstellung oder ein Nahrungsergänzungspräparat ein sichtbarer Erfolg erzielt wird, weil man damit einen Mangel beim normalen Nährstoffbedarf behoben hat. Solche Veränderungen der Nährstoffzufuhr können zwar tatsächlich zu einer Besserung des Haarausfalls führen, man hat damit aber häufiger unbewusst bestimmte Krankheitsveranlagungen behandelt oder gemanagt (z.B. atopische Dermatitis, Futtermittelallergie, Zinkresponsive Dermatose). Durch eine Vorstellung beim Tierarzt können diese Störungen oft noch gezielter und wirksamer therapiert werden.

Bei selbstzubereiteter Fütterung (z.B. BARF) kann es nach längerer Zeit schon eher zu bestimmten Mangelzuständen kommen, die zu einem schlechten Fellzustand führen. Ich plädiere dafür, sich als Tierhalter bei einer solchen Fragestellung an einen Tierarzt zu wenden. Tierernährungslehre ist im Veterinärmedizinstudium ein Examensfach, das auf dem Niveau wissenschaftlicher Überprüfbarkeit und sehr ausführlich gelehrt und auch geübt wird. Sie können in einer Reihe von Tierarztpraxen fundierte Informationen für eine Optimierung der Futterration erhalten. Möglicherweise ist auch eine Berechnung der Nährstoffgehalte durch eine spezialisierte Praxis am sinnvollsten. Noch eine Randbemerkung: Bei so manchem Hund und so mancher Katze mit bestimmten Erkrankungen (z.B. Allergien) ist eine gezielt zusammengestellte, selbstzubereitete Fütterung eine hervorragende Hilfe bei Haarausfall- und Hautproblemen.

Auch die Vererbung (Genetik) spielt eine Rolle in welcher Weise Hunde und Katzen Haare verlieren. Ein besonderes Beispiel ist der Pudel. Bei dieser Rasse bleiben die Haarfollikel extrem lange in der Phase des Haarlängenwachstums stehen. Sie kommen wahrscheinlich erst nach Jahren in die Ruhephase und danach in das Stadium des Ausfallens der Haare. Pudel haben praktisch keinen Fellwechsel und keinen Haarausfall. Dafür wächst das Fell immer länger und muss geschoren werden.

Die unterschiedlichen Rassehunde und -katzen haben alle eigene, charakteristische Fellstrukturen und Wachstumseigenschaften. Wenn Sie sich ein Rassetier zulegen möchten, können Sie sich über diese Eigenschaften und die empfohlenen Fellpflegemaßnahmen vorher informieren und diese bei der Auswahl berücksichtigen.

Wissenschaftliche Grundlagen

Zur Frage wie das Haarwachstum gesteuert wird, wurden intensive Forschungen an Labormäusen betrieben. Die Kosmetik- und Schönheitsindustrie hat ein besonderes Interesse daran, eine wirklich wirksame „Formel“ für eine volle Haarpracht zu finden. Die Ergebnisse der Experimente waren, dass viele verschiedene körpereigene Hormone, biochemische Botenstoffe und Nervenimpulse den Ablauf des Haarzyklus beeinflussen. Die Forscher mussten bisher aber feststellen, dass sie nicht aufdecken konnten wie der Mechanismus der Haarwachstums-Steuerung funktioniert. Haarausfall und Krankheiten Haarausfall ist auch ein Symptom bei vielen Erkrankungen der Haut und sogar bei einer Reihe von Krankheiten der inneren Organe.

In diesen Fällen sind immer auch noch andere Veränderungen zu festzustellen. Wenn Sie nicht nur vermehrtes Abhaaren sondern zusätzlich beispielsweise schüttere oder kahle Hautbereiche, oder anderes Beispiel: Juckreiz bei Ihrem Tier beobachten können, ist eine Krankheit wahrscheinlich die Ursache für den Fellverlust. Manchmal sind diese Symptome gar nicht so einfach zu erkennen. Beim häufigen Begleitsymptom Juckreiz stellen wir öfter fest, dass die Tierbesitzer vermehrtes Lecken oder Ohrenschütteln als normales Reinigungsverhalten einstufen. Bei der Untersuchung in der Praxis können wir dann aber doch (etwas verborgene) Hautentzündungen in diesen Bereichen finden.

Einen guten, annähernd vollständigen Überblick über diese möglichen Begleitsymptome können Sie auf dem Dermatologie-Fragebogen dieser Homepage nachlesen. Die Hautsymptome finden Sie auf Seite 1 unten, die Allgemeinsymptome auf Seite 4. Wenn man sich nicht ganz sicher ist, ob der beobachtete Haarausfall nur vom normalen Fellwechsel herrührt, ist es immer ratsam einen Tierarztbesuch zu machen. Dabei sollen die vom Tierhalter beobachteten Veränderungen ausgewertet und eine gründliche Untersuchung durchgeführt werden.

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